Hallo aus Seoul! Wie schön öfter erwähnt leben in dieser Stadt acht Millionen Menschen (plus doppelt so viele im Umland). Einfach auf gut Glück drauflos zu spazieren kann somit in mehrstündigen Gewaltmärschen durch eintönige Wohnsilos enden. Ich habe es trotzdem wieder mal riskiert. Der Bericht meines letztlich doch recht touristischen Spaziergangs.
Start: High Noon in Hannam-dong

Gegen 11 Uhr geht meine Reise in Hannam-dong los. Hannam-dong bildet zusammen mit dem benachbarten Itaewon eine Art „Ausländerviertel“ in Seoul. Während Itaewon hauptsächlich für Kleidergeschäfte (auch mit Übergrößen), internationale Restaurants und Fortgehmöglichkeiten zuständig ist, herrscht in Hannam-dong durch Designer-Cafés, Nobelwohnungen und das UN-Village eine deutlich noblere Stimmung. Letzteres ist tatsächlich eine eigene Wohnsiedlung für Angestellte der Vereinten Nationen (aber nicht nur für diese).
In Hannam-dong tragen sogar die Gebäude den Reichtum ihrer Bewohner im Namen:

Als Ausländerviertel ist Hannam-dong wenig überraschend auch das Deutschenviertel. Es gibt zwei deutsche Kirchengemeinden (evangelisch und katholisch), die Deutsche Schule, die Deutsche Auslandshandelskammer und viele andere Einrichtungen.
Nach einem längeren Marsch entlang der Dokseotang-ro samt kleiner Stärkung bei Moby Dicks Steuermann betrete ich für mich neues Terrain, nämlich den Bezirk Seondong-gu.

Am Hanfluss
Ich kämpfe mich durch die Betonburg immer weiter Richtung Hanfluss, kann aber zwischendurch einer kleinen Exkursion auf eine Autobahnbrücke nicht wiederstehen. Dort gibt es zwar einen Gehsteig, allerdings sieht dieser eher nach Fahrradfriedhof, als nach Fußweg aus. Für ein paar Fotos hat’s gereicht, ich habe dann beschlossen, am diesseitigen Flussufer zu bleiben. Südseoul ist mir noch etwas suspekt :-).
Dem Fluss entlang gibt es einen recht angenehmen Weg, der exakt unter der Autobahn verläuft. Positiv dabei ist, dass man sehr gut vor der Sonne geschützt ist. Ich fühlte mich sofort an den Wiener Donaukanal erinnert:
Diesem Weg folgte ich für eine Weile, nur um dann verblüfft festzustellen, dass Seoul mehr als einen Fluss hat. In meiner blinden Ignoranz ist mir abseits des Hanflusses jedes andere Gewässer der Stadt verborgen geblieben. So stand ich nun irgendwann ganz verwundert an der Mündung des Chungrangcheon und rieb mir staunend die Augen. Entzückt beschloss ich, diesem neuen Fluss zu folgen und seinen großen Bruder – den Hanfluss – links (eigentlich rechts) liegen zu lassen. Sehr bald wurde die Landschaft natürlicher und ich erfreute mich an Gräsern und Blumen und fand sogar einen kleinen Felsenhügel, der darauf wartete bezwungen zu werden.
Auf den Eungpongsan
Wenn Deutsch und Koreanisch aufeinander treffen entsteht phonologische Kernspaltung: „Ich folgte dem Chungrangcheon bis zur Station Eungpong, schlüpfte durch einen Tunnel und stieg auf den Eungpongsan.“.
Im Anschluss ließ ich mich von meiner bewährten Navigationsapp „Naver Maps“ zur nächstgrößeren Busstation dirigieren, um in einem klimatisierten Bus etwas auszukühlen. Es war mittlerweile nach ein Uhr nachmittags und die Mittagshitze forderte langsam ihren Tribut. Zwar war der Himmel wolkenverhangen (versmogt?), aber die Temparatur zog trotzdem ordentlich an. Die Sommersonne brennt in Korea stärker als in Mitteleuropa. Ich bekam an diesem Tag – ganz ohne direktes Sonnenlicht – sogar noch einen leichten Sonnenbrand auf der Stirn.
Zum Gyeongdong Markt
Von der Busstation „Samsung Remian Appartments“ (ja, Samsung hat auch Wohnhäuser) fuhr ich mit Linie 110B ins Unbekannte. Spontan beschloss ich, mindestens sieben Stationen zu fahren und danach in einer interessant wirkenden Gegend auszusteigen. Ich landete im Stadtteil Dongdaemun und entdeckte – absolut zufällig – Gyeongdong Market, einen der größten Märkte der Stadt. Wie alle Märkte in Seoul hat auch dieser – neben den üblichen Lebensmitteln und Kleidern – seine eigene Spezialität: Orientalische Medizin. Man findet Kisten und Einmachgläser voller exotische Holzschnitzel, sonstige getrocknete Pflänzchen und sehr viele Dinge, die man nicht einmal zuordnen kann. Der normale Lebensmittelmarkt ist beeindruckend groß und bietet ebenfalls sehr interessantes Gepflänz und Getier. Unter anderem Schildkröten, was ich in Korea sonst nirdends gesehen habe.


Im Anschluss an den Marktbesuch irrte ich noch ein wenig durch die umliegenden Viertel und machte noch die eine oder andere interessante Entdeckung:
Nach einer längeren Busfahrt zurück ins Zentrum endet dieser Tag mit Nengmyeon und Kalkuksu (zwei Nudelgerichte) in einer Suppenküche am Namdaemun-Markt. Im Gegensatz zu den Lebensmitteln und Hölzern des Gyeongdong, werden hier eher Kleidung und Souvenirs verkauft. Wir sind immerhin jetzt in Myeongdong, einem der großen Touristen- und Shoppingviertel der Stadt.

Und weil auch koreanisches Essen gern mit einem Kaffee abgerundet wird, beende ich meinen Ausflug und meine Geschichte im Café mit dem sicherlich schönsten Namen der Stadt:
Beste Grüße aus Seoul!